Eine Anmerkung zu Roger Köppel

Zu den Dingen, um die ich die Schweiz beneide, gehört auch die „Weltwoche“; sie ist, soweit ich sehe, die einzige liberale Zeitschrift in deutscher Sprache. Nicht dass sie existiert, wohl aber dass sie liberal ist, haben die Schweizer und die Welt Roger Köppel zu verdanken. Über ihn hat Klonovsky hier eine schöne Würdigung verfaßt.

Köppel hat auf der ebenfalls sehr lesenswerten „Achse des Guten“ einen interessanten Text über die aktuelle Lage der EU verfaßt (hier), zu dem ich etwas anmerken möchte. Die EU ist eine Institution, die den meisten Bürgern immer noch eher gleichgültig ist, sie sind – nicht zu Unrecht – der Ansicht, dass die eigentlich wichtigen Entscheidungen immer noch auf nationalstaatlicher Ebene gefällt werden. Man sollte meinen, dass doch auch die Politiker der einzelnen Länder aus purem Eigeninteresse sich gegen zu weitgehende Verlagerungen von Kompetenzen nach Brüssel wehren würden – daß Politiker sich selbst entmachten, widerspräche doch jeder historischen Erfahrung. Dem ist aber nicht so: In den letzten Jahren tut sich eine zunehmende Kluft auf zwischen den politischen Eliten der EU-Länder, welche die europäische Integration vorantreiben, und den Bevölkerungen dieser Länder, welche diesem Tun immer mehr mit Skepsis, ja Ablehnung, gegenüberstehen.

Köppels Text bietet eine Erklärung für dieses immerhin merkwürdige Phänomen: als das „dreckige kleine Geheimnis“ der EU bezeichnet er, dass diese immer noch – ich würde sagen: immer mehr – das Vehikel für den Willen der europäischen Eliten zur Macht ist.

In den letzten Jahrzehnten fand ein schleichender Prozess statt, der dem Normalbürger völlig entgangen ist, den aber die politischen Eliten Europas hautnah erlebt haben. Dieser Prozess ist der schleichende Macht- und Bedeutungsverlust der alten europäischen Großmächte und damit ihrer politischen Eliten.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Europa immer noch eine wichtige Rolle gespielt, als Wirtschaftsmacht, als Bollwerk gegen den Kommunismus, als politisches Modell; ein französischer Präsident, ein englischer Premierminister und auch ein deutscher Bundeskanzler waren überall auf der Welt gefragte Gesprächspartner. Aber dann kam das Ende des Kalten Krieges, der Aufstieg Chinas und Indiens, die Hinwendung der USA zum Pazifikraum, kurzum: Europa, das früher das Zentrum der Welt war, rückt immer mehr in den Schatten der Weltpolitik; was europäische Politiker denken, sagen und meinen, interessiert international einfach niemanden mehr. Die alten europäischen Großmächte spielen heute international eine Rolle wie im 19. Jahrhundert etwa Dänemark, die Schweiz oder Holland, es gab sie, man tolerierte sie, aber sie zählten nicht. Sie waren einfach zu klein, um mit den großen Jungs mitspielen zu können. Für den heutigen Normalbürger ist die skizzierte Entwicklung erträglich, ja er wird sie eher vorteilhaft finden: Weltpolitik pflegt aufwändig, kostspielig, riskant, mitunter lebensgefährlich zu sein; zudem hat Otto Normalbürger durchaus begriffen, daß am Ende, wenn die Sache schiefgeht, er die Zeche zahlen muß.

Die politische Elite freilich sieht das anders. Ein geeintes Europa mit einheitlicher politischer Führung wäre groß und mächtig genug, um wieder in der politischen Bundesliga mitzuspielen. Ein Präsident der Vereinigten Staaten von Europa könnte auf Augenhöhe mit seinem amerikanischen, russischen, chinesischen Kollegen plaudern, könnte sicher sein, dass seine Bemerkungen, Meinungen, Ansichten, Wünsche größtes Interesse fänden.

Ob dies freilich im Interesse der Menschheit, Europas, der europäischen Bevölkerung wäre, daran kann man mit guten und zahlreichen Gründen zweifeln.

Autor: Stefan O. W. Weiss

Leon de Winter zählte die Kolumnen von David P. Goldman, besser bekannt unter seinem nom de plume „Spengler“, „zu den allerinteressantesten, die es weltweit zu lesen gibt“. Seine Texte, die er meist in „Asia Times“ und „PJMedia“ veröffentlicht, haben eine Leserschaft gefunden, die in die Hunderttausende geht. Er behandelt so verschiedene Themen wie Philosophie, Literatur, Wirtschaftswissenschaften, Theologie, Strategie, Weltpolitik, Musik und andere mehr mit gleicher Souveränität und Kompetenz. In Deutschland ist er ein Geheimtipp geblieben, bedauerlicherweise, da er ein vorzüglicher Kenner der deutschen Geistesgeschichte ist. Seine Essays über Wagner, Goethe, Schiller seien doch wenigstens en passant erwähnt. Um dem deutschen Leser die Lektüre zu erleichtern, beabsichtige ich, in diesem Blog seine Texte fortlaufend in Deutsche zu übersetzen. Ich habe dieses Projekt seit einigen Monaten verfolgt, der erste hier auf Deutsch veröffentliche Text stammt vom Oktober 2015. In den kommenden Wochen gedenke ich, seine nachfolgenden Texte in chronologischer Reihenfolge zu veröffentlichen, bis der Anschluss zu Gegenwart erreicht ist.

4 Kommentare zu „Eine Anmerkung zu Roger Köppel“

  1. europa ist gescheitert. die finanzkrise wie der flüchtlingsstrom der auf europa zurollt und deutschland damit allein lässt wird der sargnagel für die beerdigung des hauses europa sein. davon bin ich überzeugt und besser wäre es für die europäischen steuerzahler.
    auf spengler warte ich gespannt, werter gallia.

    Gefällt 1 Person

      1. frau merkel als verfechterin der europäischen lösung… da kommt kohls mädchen hervor.
        helmut kohl war vom „haus europa“ auch angetan. mit mitterrand.

        Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar